AULA: Interview mit Stefan Baumann, STURMundDRANG

Der Gründer der Hamburger Forschungs- und Transformationsagentur über „Graues Gold“ und altersinklusives Arbeiten in Zeiten des Fachkräftemangels.

Stefan Baumann, studierter Wirtschaftspsychologe, ist gemeinsam mit Europa Bendig Gründer und Managing Partner der STURMundDRANG GmbH in Hamburg. STURMundDRANG ist eine Strategie-Boutique für kulturelle Veränderungen. Sie berät Menschen, Marken und Unternehmen bei der Entwicklung von Erneuerungsstrategien für deren Angebot, Kundenbeziehungen und Unternehmenskultur.

 

Stefan Baumann, STURMundDRANG

Roderer Executive Search:

Herr Baumann, momentan gilt der massive Fachkräftemangel auch und gerade im technischen Mittelstand als die wirtschaftliche Herausforderung schlechthin. Zugleich gehen in wenigen Jahren Millionen Babyboomer in Rente, um „Platz zu machen“ für die nächste, rein zahlenmäßig aber deutlich unterlegene Generation. Wie passt das zusammen?

Stefan Baumann:

Ja, man beginnt sich zu fragen, ob die neuen Besen wirklich immer besser kehren. Und falls ja, ob es genügend neue Besen gibt. Oder haben wir nicht immer stärker den Verdacht, dass sich gerade etwas Entscheidendes bewegt in unserem Verhältnis zum „Neuen“? Und könnte das zugleich ein Zeichen dafür sein, dass sich ein anderes Zeitverständnis in uns ausbildet? Jenseits der Halbwertzeit, der Sollbruchstelle und des Renteneintrittsalters?

RES:

Sie sprechen von einer Rückbesinnung auf alte, verlässliche Werte und Qualitäten?

Baumann:

„Es gibt sie noch die guten Dinge“ propagiert ja seit Jahrzehnten bereits sehr erfolgreich ein bekanntes Versandhaus – aber diese konservative Rückwärtsgewandtheit bekommt jetzt im „Zeitalter des Regenerativen“ einen vorwärts gerichteten Zeithorizont. Die Narrative von Weitsicht und langfristigem Denken und Handeln stehen mehr und mehr gegen den Sofort- und Wegwerfreflex einer Gesellschaft, die sich daran gewöhnt hat, dass – mit Voltaire gesprochen – „das Bessere immer der Feind des Guten“ ist, und damit meint: Das Neue ist das Bessere, weil Optimierte.

RES:

Und das gilt auch für alle Ressourcen in unserem Wirtschaftsleben, insbesondere die menschlichen Ressourcen?

Baumann:

Ganz genau. Auch hier zeichnet sich ein Umdenken ab. Wer die fast schon verzweifelten Aushänge im Einzelhandel und Stellenanzeigen lesen kann, merkt: Wir stehen durch den Renteneintritt der Boomer und der umgekehrten Alterspyramide, der zunehmenden Teilzeitpräferenz der jungen, mobil arbeitenden Generation und noch ein paar andere fehlgeleitete Bildungsthemen mitten in einem Fachkräftemangel. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat jüngst errechnet, dass sich bis 2035 das Arbeitskräfteangebot ohne Zuwanderung und ohne Steigerung der Erwerbsbeteiligung um sieben Millionen Menschen verringern wird. Der Schwund der Arbeitskraft scheint damit die größte Bedrohung für unseren Wohlstand, aber auch für die „Zeitenwende“ und Multi-Transformation unserer Systeme in eine digital-regenerative Zeit zu sein. Wir müssen das sehr ernst nehmen.

RES:

Warum also die Arbeitswilligen in die ohnehin nicht selten magere Rente schicken?

Baumann:

Die Frage drängt sich doch geradezu auf! Greifen wir auf unsere „Altersreserve“, das „Graue Gold“ zurück. So hat das der Schleswig-Holsteinische Arbeitsminister Claus Ruhe Madsen bezeichnet. Rentner wird es in 15 Jahren rund vier Millionen mehr geben als jetzt, wenn sich am Eintrittsalter nichts tut. Die sprichwörtliche Preisfrage lautet: Wie geht „altersinklusives Arbeiten“? Wie können wir auch regenerativ mit unseren kollektiven Erfahrungen und Kompetenzen in den Unternehmen intelligenter umgehen? Arbeit also nicht vom „Exit“ her denken, wie es die Start-up-Szene gern tut, sondern als „unendliches, permanente Spiel“, also eher mit einem stärkeorientierten Ansatz über die Lebensphasen und Generationen hinweg.

RES:

Beispiele aus anderen Ländern gibt es dafür ja schon.

Baumann:

Die Schweden machen es mal wieder vor. Dort gibt es bereits ein flexibles Renteneintrittsalter zwischen 61 und 69 Jahren – je nach individueller Passung. Oder halt auch das gesamte Lebensarbeitszeitmodell langfristig denken: Teilzeit in der Rushhour des Lebens, also zwischen 30 und 50 Jahren, was ja auch bei der Erziehung von Kindern sehr von Vorteil sein würde. Und dafür im Alter länger arbeiten und Teilhabe sichern. Klar ist doch: Es braucht mehr altersdiverse, lebensphasenzentrierte, fluide Arbeitskulturen in den Unternehmen. Denn auch das ist nachhaltiger Umgang mit Ressourcen. Wir brauchen jede Kompetenz und jede gute Idee. Und jede Wertschätzung für den erfahrenen Beitrag der Älteren, der sich in der Digitalisierung zugunsten der „Digital Natives“ umgekehrt hatte.

Stefan Baumann, studierter Wirtschaftspsychologe, ist gemeinsam mit Europa Bendig Gründer und Managing Partner der STURMundDRANG GmbH in Hamburg. STURMundDRANG ist eine Strategie-Boutique für kulturelle Veränderungen. Sie berät Menschen, Marken und Unternehmen bei der Entwicklung von Erneuerungsstrategien für deren Angebot, Kundenbeziehungen und Unternehmenskultur.


STURMundDRANG – Human Strategies for Changing Cultures

Der gesellschaftliche Wandel fordert von Unternehmen, Marken und Märkten eine ständige kulturelle Evolution. Kultur ist – auch in Zeiten der Digitalisierung – menschengemacht. Darum beginnt jede Transformation beim Menschen.

STURMundDRANG erforscht Sehnsüchte, Verhalten und Kultur in einer sich ständig wandelnden Lebens-, Arbeits- und Konsumwelt und entwickelt mit und für Unternehmen und Marken Erneuerungsstrategien, die gesellschaftlich und wirtschaftlich mehr Resonanz erzeugen.

www.sturmunddrang.de


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